Stresshormone verstehen: 7 Marker mit Wirkung
Übersicht
Stresshormone verstehen: 7 Marker, die dir wirklich weiterhelfen
Ich arbeite täglich mit Menschen, die langfristige Stressbelastungen erleben. Ab 50 verändern sich häufig Schlaf, Energie, Gewicht und Erholungsfähigkeit. Um diese Veränderungen einzuordnen, nutze ich ausgewählte stresshormone-Marker. Ich erkläre dir hier evidenznah, aber verständlich, welche Marker ich einsetze, was sie bedeuten und wie wir damit sinnvoll arbeiten – ohne Schnellschlüsse.
Warum Marker? – Evidenz, Kontext, Verlauf
Evidenzbasiert: Ich orientiere mich an physiologischen Zusammenhängen und etablierten Messgrößen.
Kontext: Zahlen sind nur aussagekräftig im Zusammenspiel mit Symptomen, Lebensphase, Medikamenten und Alltag. Verlauf statt
Momentaufnahme: Wiederholte Messungen zeigen Muster und Entwicklung – das ist klinisch hilfreicher.
Sanfter Ansatz: Keine radikalen Programme, keine „Detox“-Versprechen – ich spreche von Biotransformation durch alltagstaugliche Schritte.
1) Cortisol-Tagesprofil – der circadiane Rhythmus
Physiologie: Cortisol folgt einem Tagesrhythmus: morgens höher (Aufwachreaktion), abends niedriger. Dieses Muster unterstützt Energie, Entzündungsregulation und Glukosestoffwechsel.
Interpretation: Ein abgeflachtes Profil kann auf Erschöpfung hindeuten; persistierend hohe Werte eher auf Überlastung. Ein Einzelwert ist wenig aussagekräftig.
Praxis: 4–5 Messzeitpunkte (Aufstehen, +30 Min, Mittag, Nachmittag, Abend) – häufig als Speicheltest – plus kurzes Symptomtagebuch (Schlaf, Energie, Heißhunger).
2) DHEA – funktionelle Balance zum Cortisol
Physiologie: DHEA ist eine Vorstufe für Steroidhormone und wirkt funktionell als Gegengewicht zu Cortisol.
Interpretation: Eine niedrige DHEA bei hohem Cortisol kann eine hohe Stresslast anzeigen. Wichtig ist das Verhältnis und die Lebensphase (z. B. Wechseljahre).
Praxis: Verlaufskontrollen alle 3–6 Monate sind sinnvoller als Einmalmessungen.
3) HRV – Herzratenvariabilität als Marker autonomer Regulation
Physiologie: Die HRV spiegelt die Flexibilität des autonomen Nervensystems (Sympathikus/Parasympathikus) wider.
Interpretation: Niedrige HRV-Werte bedeuten nicht automatisch „schlecht“. Alter, Fitness, akute Belastungen und Messbedingungen beeinflussen die Werte. Der Trend ist entscheidend.
Praxis: Standardisierte Morgenmessung (5 Minuten) und Dokumentation von Atem-/Entspannungsübungen für Vergleichbarkeit.
4) Entzündungsmarker – hsCRP & Co.
Physiologie: Chronische Stressbelastung kann mit „stiller“ Entzündung einhergehen. Das hochsensitive C‑reaktive Protein (hsCRP) erfasst niedrige Entzündungsgrade.
Interpretation: Aussagekräftig im Kontext von Schlafqualität, Schmerzen, Stoffwechsel und Lipidprofil.
Praxis: Bei Auffälligkeiten priorisiere ich antiinflammatorische Ernährung, dosierte Bewegung und Schlafhygiene – kleine Schritte, konsequent umgesetzt.
5) Schilddrüsenachse – TSH, fT3, fT4 (ggf. rT3)
Physiologie: Die Hypothalamus‑Hypophysen‑Schilddrüsen‑Achse steuert Stoffwechsel und Thermoregulation. Stress kann die Umwandlung zu aktivem fT3 beeinflussen.
Interpretation: Ich lese die Achse gesamt (nicht nur TSH). Eisenstatus, Jod/Selen, Medikamente und Symptome gehören in die Bewertung.
Praxis: Kombination und Verlauf sind wichtiger als Grenzwerte einzelner Messungen.
6) Glukose- und Insulindynamik – Stoffwechsel unter Stress
Physiologie: Stresshormone erhöhen kurzfristig Glukosebereitstellung. Wiederholte Peaks können Müdigkeit, Heißhunger und Schlafstörungen begünstigen.
Interpretation: Nüchternglukose, HbA1c und – zeitlich begrenzt – kontinuierliche Glukosemessung (CGM) zeigen Muster und Variabilität.
Praxis: 10–14 Tage Ernährungs‑/Aktivitätsprotokoll mit Messwerten; danach Anpassungen bei Timing, Zusammensetzung der Mahlzeiten und Bewegung.
7) Validierte Fragebögen – subjektive Dimension messbar machen
Physiologie/Logik: Standardisierte Fragebögen zu Schlafqualität, Tagesmüdigkeit oder Stresswahrnehmung erfassen Veränderungen, die Labordaten allein nicht zeigen.
Interpretation: Ein klarer Ausgangswert und eine Reevaluation nach 4–8 Wochen machen Fortschritte sichtbar.
Praxis: Einfache 1–10‑Skalen täglich oder zweitägig – geringer Aufwand, hohe Aussagekraft.
Wie ich bewerte – drei Leitlinien
Kontext vor Zahl: Lebensphase, Beschwerden, Medikamente, Alltag.
Muster vor Moment: Tagesprofile und Verlaufsdaten.
Integration: Ernährung, Schlaf, Bewegung und Stressregulation wirken zusammen.
Sanfter, klarer Einstieg – in drei Schritten
1. Starte mit HRV (morgens), einem Cortisol‑Tagesprofil und hsCRP.
2. Führe 10 Tage ein knappes Schlaf‑ und Essprotokoll mit Notizen zu Stimmung/Energie.
3. Setze 2–3 kleine Anpassungen um: Abendroutine, Mahlzeitenrhythmus, Atemübungen.
Juristischer Hinweis: Ich gebe keine Heilversprechen. Maßnahmen sollten individuell abgeklärt werden.